Restschuldbefreiung wirkt auf das Jahr der Betriebsaufgabe zurück

Das Finanzgericht (FG) Münster hat - entgegen der Verwaltungsanweisung - entschieden, dass eine durch die Restschuldbefreiung entstehende Gewinnerhöhung nicht im Jahr der Erteilung der Restschuldbefreiung zu berücksichtigen ist, sondern steuerlich auf das Jahr der Betriebsaufgabe zurückwirkt.

Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte, aus denen erhebliche Verlustvorträge resultierten. Kurz nach Betriebsaufgabe Anfang 2005 wurde über sein Vermögen das Privatinsolvenzverfahren eröffnet, nach dessen Abschluss ihm im Jahr 2011 Restschuldbefreiung in Höhe von ca. 5,5 Mio. Euro erteilt wurde. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens verrechneten der Kläger und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau einen Teil der vorgetragenen Verluste mit nicht vom Insolvenzverfahren betroffenen positiven Einkünften. Zum 31.12.2010 belief sich der gesondert festgestellte Verlustvortrag des Klägers auf ca. 1,1 Mio. Euro.

Finanzamt berief sich auf BMF-Schreiben

Das Finanzamt minderte den Verlustvortrag zunächst um die positiven Einkünfte des Jahres 2011 und erließ auf den 31.12.2011 einen entsprechenden Verlustfeststellungsbescheid. Nach dessen Bestandskraft gelangte es zu der Auffassung, dass in Höhe dieses verbleibenden Verlustes aufgrund der Restschuldbefreiung gewerbliche Einkünfte des Klägers vorlägen und hob den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2011 wieder auf. Dabei berief es sich auf eine Verwaltungsanweisung des Bundesfinanzministeriums (BMF-Schreiben vom 22.12.2009). Die Beteiligten stritten in erster Linie darüber, ob hierfür eine Änderungsvorschrift einschlägig sei.

Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

Das FG Münster gab der Klage mit Urteil vom 21. Juli 2016 (Az. 9 K 3457/15 E,F) bereits deshalb statt, weil für das Streitjahr 2011 keine Gewinnerhöhung anzusetzen sei. Die Erteilung einer Restschuldbefreiung führe zwar - wie ein Forderungsverzicht - beim Kläger zu einem außerordentlichen Ertrag, denn er sei durch die Schulden nicht mehr wirtschaftlich belastet. Der Ertrag sei jedoch dem Jahr zuzurechnen, in dem der Betrieb aufgegeben wurde. Auf diesen Zeitpunkt sei der Aufgabegewinn zu berechnen. Obwohl die Erteilung der Restschuldbefreiung erst im Jahr 2011 erfolgt sei, wirke sie auf das Jahr 2005 zurück. Nur auf diese Weise trete das dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechende Ergebnis ein, dass die festgestellten Verluste nicht mit nach dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe entstandenen positiven Einkünften verrechnet werden können. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Diese ist dort unter dem Az. IX R 30/16 anhängig.

(FG Münster / STB Web)

Artikel vom 15.11.2016