Außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückständen in der Verbraucherinsolvenz des Mieters

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob der Vermieter in der Verbraucherinsolvenz des Mieters eine außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach der "Freigabe" des Mietverhältnisses seitens des Insolvenzverwalters auf Mietrückstände stützen kann, die bereits vor der Insolvenzantragstellung entstanden sind. Außerdem hat sich der BGH dazu geäußert, in welchem Umfang ein Mieter neben der berechtigten Mietminderung zusätzlich Teile der Miete zurückhalten darf, solange der Vermieter Mängel der Mietwohnung nicht beseitigt.

Der Beklagte ist seit dem Jahr 1988 Mieter einer im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung. Auf seinen Antrag wurde im Juni 2010 das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die Treuhänderin erklärte am 1. Juli 2010 die "Freigabe" des Mietverhältnisses nach der Insolvenzordnung. Diese sog. Enthaftungserklärung (auch Freigabeerklärung genannt) bewirkt, dass das Mietverhältnis nicht mehr massebefangen ist, sondern in die Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien zurückfällt, so dass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist.

Der Beklagte zahlte in den Monaten März 2009 bis Oktober 2012 keine oder nur einen Teil der Miete. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis unter Berufung auf aufgelaufene Mietrückstände in Höhe von insgesamt 14.806,36 Euro fristlos. Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Kündigungssperre dient dem Schutz der Insolvenzmasse, nicht des Mieters

Der BGH hat mit Urteil vom 17. Juni 2015 (Az. VIII ZR 19/14) entschieden, dass die im Insolvenzverfahren geltende Kündigungssperre mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung entfällt und eine außerordentliche Kündigung auch auf Mietrückstände gestützt werden kann, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen sind. Sinn und Zweck der Kündigungssperre stünden dem nicht entgegen, denn die Norm diene dem Schutz der Insolvenzmasse und einer möglichen Fortführung des Schuldnerunternehmens und gerade nicht dem persönlichen Schutz des bei Insolvenzantragsstellung im Zahlungsverzug befindlichen Mieters/Schuldners vor dem Verlust der Wohnung.

Der soziale Mieterschutz werde auch im Insolvenzfall dadurch gewährleistet, dass der Mieter die Kündigungsfolgen durch Zahlung der Mietrückstände aus seinem pfändungsfreien Vermögen abwenden könne; auch sei eine Befriedigung der Mietschulden von dritter Seite, insbesondere öffentlicher Stellen trotz des laufenden Insolvenzverfahrens möglich. Das Gleiche gelte auch während des Restschuldbefreiungsverfahrens.

Grenzen des Zurückbehaltungsrechts wegen Mängeln der Mietwohnung

Überdies wies der BGH darauf hin, dass auch das Leistungsverweigerungsrecht des Wohnraummieters redlicherweise nur so lange ausgeübt werden könne, als es noch seinen Zweck erfüllt, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mangelbeseitigung anzuhalten. Auch muss der insgesamt einbehaltene Betrag in einer angemessenen Relation zu der Bedeutung des Mangels stehen. Der Mieter sei hierdurch nicht rechtlos gestellt, denn unbeschadet des Minderungsrechts könne er u.a. auf Mangelbeseitigung klagen oder in geeigneten Fällen den Mangel – ggf. nach Geltendmachung eines Vorschussanspruchs – selbst beseitigen.

(BGH / STB Web)

Artikel vom 19.06.2015